Allgemeine Zeitung
Rhein Main Presse / Mainz 26.09.2015
Reise in die Welt der Gehörlosen
KUNST IM ALLTAG“ Neue Ausstellung im Landtag verweist auf Lebenswirklichkeit Betroffener
MAINZ - Eine große, offene Hand: Sie bildet den Blickfang einer neuen Ausstellung in der Reihe „Kunst im Landtag“ im Foyer des Abgeordnetenhauses. Denn Hände spielen auch eine wichtige Rolle für Menschen, die kaum oder gar nicht hören können. Lächeln und die Hand heben zur Begrüßung, das wird überall als „Hallo“ verstanden. Um Danke zu sagen, wird eine Hand vom Kinn aus nach vorn gestreckt. Und beide Hände nach oben zu halten und schnell zu drehen steht für Applaus. Viel Beifall gab es für die sehenswerte Schau, die dazu einlädt, beim Betrachten auf eine Reise zu gehen in die Welt der Gehörlosen.
Bundesweites Projekt
Die Ausstellung ist bis zum 9. Oktober täglich (außer an Wochenenden) von 8 bis 17 Uhr im Foyer des Abgeordnetenhauses des Landtags Rheinland-Pfalz, Kaiser-Friedrich-Straße 3, Mainz, zu sehen.
Sie ist ein Teil des Projekts „Ganz Deutschland hört“, das auf die Situation von Menschen aufmerksam machen möchte, die schwerhörig oder gehörlos sind. So wie vier Künstler und eine Künstlerin, die Möglichkeiten gefunden haben, ihre Sicht auf die Welt darzustellen – auf sehr kreative Weise. Erstmals zeigen sie gemeinsam ihre Werke aus mehreren Genres, mit eigenem Stil und verbindenden Motiven. „Meine Bilder sind meine Sprache“, betont Claudia Krämer. Natur und Mythologie inspirieren sie zu romantischen Blumenmotiven, die Wärme und Geborgenheit vermitteln. Der Duft von Lilien oder Rosen wird spürbar in den sanften Linien und Pastelltönen. Orchideenblüten, geschwungene Blätter und Rosen mit weiblichen Reizen formt der Bildhauer Valentin Walter aus Lindenholz. Das Wort „Love“ zeigt er in Buchstaben und Handzeichen. Das Körperalphabet in schwungvollen Bewegungen findet sich in vielen Varianten in den Werken von Jürgen Klein. Zu den Bildern und Skulpturen im Popart-Stil wurde er durch Keith Haring inspiriert. Auf eine beeindruckende Bildsprache mit tiefer Symbolik trifft man in den Gemälden von Manfred Mertz, den Elemente wie Luft oder Wasser und andere Kräfte der Natur zu phantasievollen Gemälden in kraftvollen Farben reizen. So spricht Sehnsucht nach Freiheit aus der Darstellung eines schwebenden Vogels. Das Grundbedürfnis nach Liebe und Geborgenheit fasst Dieter Fricke in Bilder. „Was im Leben zählt, ist der Augenblick“, findet er.
Den Blick nicht in erster Linie auf Beeinträchtigungen zu richten, sondern auf die Fähigkeiten und Talente aller Menschen, war auch eine Botschaft in den Ansprachen zur Vernissage, die durch einen Gebärdensprachdolmetscher vermittelt wurden. Ebenso wie Untertitel bei Filmen hilft diese Übersetzung dabei, miteinander zu kommunizieren, um nicht zu vereinsamen. „Verständigungswege finden und offen sein für das, was auch ohne Worte gesagt werden kann, ist also das primäre Ziel“, betonte Barbara Schleicher-Rothmund, Vizepräsidentin des Landtags.
Menschen jedes Alters können an Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit erkranken. Wie Erwin Scharth, der die sehenswerte Ausstellung monatelang mit vorbereitet hatte. „Ich habe mir einfach ein Herz gefasst und bin mit der Idee an die Öffentlichkeit gegangen“, berichtete er. Für die Künstler sei es eine große Auszeichnung, im Landtag ausstellen zu können, betonte Helmut Vogel, Präsident des Deutschen Gehörlosen-Bundes.